Ich habe schon öfter richtig gute Drachenflieger gefragt wie sie es schaffen in der Thermik immer so schnell hoch zu kommen. Aber das einfache Rezept zum Zentrieren und zum oben bleiben, das ich mir erhofft habe, habe ich dabei nicht bekommen. Auch im Internet habe ich nichts Passendes gefunden. So musste mir in mehr als 20 Jahren Drachenfliegen nach und nach meine eigene Methode austüfteln und bin damit wahrscheinlich immer noch nicht fertig. Aber der jetzige Stand meiner Methode funktioniert für mich ziemlich gut. Der Weg dahin war allerdings lang und frustreich. Wenn ich selbst mal gefragt worden bin wie ich die Thermik zentriere, habe ich gemerkt, dass das gar nicht so schnell und einfach zu erklären ist. Deshalb schreibe ich das alles hier einmal zusammen in der Hoffnung, dass es für den einen oder andere eine Hilfe ist um schneller nach oben zu kommen. Hier ist meine Methode:


Die Varioeinstellung
Mein Vario ist so eingestellt, dass es schon bei 0,1 m/s Steigen anfängt zu piepsen und das fast ohne Verzögerung. Der Sinkton beginnt bei -0,2 m/s. Die Werte ab wann das Vario anspricht kann bei den Geräten einstellen. Wie schnell es anspricht kann man prüfen indem man das Vario kurz und schnell anhebt. Zwischen dem Anheben und dem ersten Piepston dauert es bei vielen Geräten, wie z. B. bei meinem alten Bräuninger, gut eine Sekunde. Je schneller es reagiert desto besser. Eventuell kann man die Dämpfung etwas reduzieren, damit die zeitliche Verzögerung nicht zu groß ist.


In welche Richtung muss ich meine Kreise verschieben um ins Zentrum des Barts zu kommen?
Das ist zentrale Frage, die sich die ganze Zeit stellt und die ich bei jedem Kreis neu beantworte. Die Antwort ergibt sich aus dem Varioton, und meiner Flugrichtung an dem Punkt wo das stärkste Steigen ist.

Wenn ich im Geradeausflug durch einen Bart fliege oder ihn streife wird sich meine Steiggeschwindigkeit langsam erhöhen bis zu einen Maximum und dann wieder abnehmen. In dem Moment, in dem ich das beste Steigen habe, das Vario also am schnellsten und mit dem höchsten Ton piepst, liegt das Zentrum des Barts senkrecht (90°) zu meiner Flugrichtung. Ob rechts oder links sagt mir das Verhalten des Drachens. Wird der rechte Flügel mehr gehoben als der linke liegt das Zentrum rechts und ich drehe nach rechts ein, ist es umgekehrt, drehe ich nach links ein. Wenn ich beim ersten Kreis in die falsche Richtung drehe, weil ich unaufmerksam war oder weil ein anderer Pilot die Drehrichtung vorgibt, wird es etwas schwieriger das Zentrum des Barts zu erreichen und das kostet etwas Zeit und Höhe. Die Zentriertechnik (s. unten) bleibt jedoch die gleiche und die Drehrichtung wird beibehalten.

Beim Kreisen ist es ähnlich. Solange ich nicht um das Zentrum des Barts kreise gibt es in jedem Kreis ein bestes Steigen. In dem Moment, wo das Maximum des Steigens erreicht ist, weiß ich in welche Richtung ich meinen nächsten Kreis verlagern muss. Nämlich 90° zu meiner momentanen Flugrichtung nach außen (weg vom Mittelpunkt meines jetzigen Kreise). Mit anderen Worten: im Moment des besten Steigens zeigt die Basis meines Drachens in die Richtung (Kreisaußenseite), in die ich meine Kreise versetzen muss um besser zu steigen.

Die Richtung in der ich beim besten Steigen geflogen bin merke ich mir bei jedem Kreis neu. Die Position über Grund spielt überhaupt keine Rolle, es geht nur um die Flugrichtung im Moment des besten Steigens.


Wann eindrehen?
Der ideale Zeitpunkt den Kreis anzufangen, bzw. enger zu machen ist dann, wenn das Maximale Steigen erreicht ist. Doch meistens neigt man dazu zu spät einzudrehen. Das Vario reagiert etwas verzögert, der Pilot reagiert zusätzlich verzögert und der Drachen braucht auch eine Weile von dem Moment an wo der Pilot anfängt die Kurve einzuleiten bis der Drachen tatsächlich eine Kreisbahn fliegt. Das können in der Summe schon einmal 3 Sekunden sein, in denen man vielleicht 30 oder 40 m zu weit geradeaus geflogen ist. Deshalb versuche ich lieber zu früh als zu spät die Kurve einzuleiten. Sobald das Steigen nicht mehr besser wird drehe ich ein. Wenn das Steigen auf dem gleichen Wert bleibt, warte ich nicht bis es schlechter wird, sondern drehe schon dann ein wenn es nicht mehr besser wird.


Grobes Zentrieren
Aus dem Geradeausflug starte ich den ersten Kreis wenn der Drachen gestiegen ist und das Steigen nicht mehr stärker wird. Wenn möglich in die Richtung wo es den Flügel stärker hebt. Dabei merke ich mir meine Flugrichtung beim besten Steigen. Von dort aus fliege ich einen ¾-Kreis und dann wieder geradeaus. Die Richtung dieses Geradeausflugs ist dann senkrecht zu der Richtung die ich beim besten Steigen hatte. Dies ist die Richtung in die ich meine Kreise verlagern muss. Nach wenigen Sekunden sollte das Steigen dann wieder einsetzen, bzw. besser werden und wie zuvor versuche ich das Maximum zu finden um dort den nächsten ¾-Kreis einzuleiten. Die Flugrichtung beim besten Steigen merke ich mir wieder. Dann wieder geradeaus 90° zur Flugrichtung beim besten Steigen und so weiter und so fort. Falls ich während eines dieser ¾-Kreise ein besseres Steigen finde als das vorherige, bei dem ich eingedreht bin, merke ich mir dort die Flugrichtung beim Maximalen Steigen (was ich mir vorher gemerkt habe wird durch diese neue Richtung ersetzt) und ich fliege von dort aus einen ¾ Kreis. Mit dieser Methode findet man sehr schnell das Zentrum des Barts. Wenn man sie beibehält, wird man ihn aber früher oder später wieder verlieren. Ich habe viele Jahre die Thermik nur auf diese Art zentriert ohne zu verstehen warum ich immer wieder die Bärte verliere (Erklärung siehe unten). Außerdem ist es ist das ständige Kurve Einleiten und Kurve Ausleiten ganz schön anstrengend. Deshalb wende ich diese Methode nur ganz am Anfang an, bzw. dann, wenn ich noch viel Sinken im Kreis habe. Sobald ich mehr als die Hälfte des Kreises im Steigen bin, stelle ich auf Feinzentrieren um. Im Beispiel in Bild 1 passiert das am Punkt F2. Mit etwas Glück erwische ich den Bart beim ersten Kreis schon so gut, dass ich direkt mit dem Feinzentrieren anfangen kann. Das ist in Bild 2 dargestellt.


Feinzentrieren
Bei dieser Methode ist es wichtig die Kreise möglichst gleichmäßig zu fliegen, d.h. Geschwindigkeit und Schräglage nicht ungewollt zu ändern. Bei ruppiger Thermik ist das manchmal gar nicht so einfach. Je zackiger und dynamischer ich fliege, desto größer ist die Gefahr den Bart zu verlieren. Wie immer suche ich das beste Steigen meines Kreises und merke mir die Flugrichtung an diesem Punkt. Von dort aus fliege ich einen engen Halbkreis und versuche dabei Schräglage und Geschwindigkeit konstant zu halten. Nach diesem Halbkreis, also genau dann, wenn ich entgegengesetzt zu der „abgespeicherten“ Flugrichtung beim besten Steigen fliege, verringere ich die Schräglage ein wenig und versuche sie wieder konstant zu halten. Richtwert ist ca. 1/3 weniger Schräglage, also z.B. bei 30° auf 20° reduzieren. Meist reicht ein kurzer Impuls dafür aus. Ab jetzt konzentriere ich mich auf das Vario. Solange das Steigen besser wird behalte ich diesen flacheren Kreis bei. Wird es nicht mehr besser oder sogar schlechter wird der Kreis sofort wieder enger gemacht, wobei die Schräglage wieder größer wird (im Beispiel auf 30°). Die Flugrichtung beim besten Steigen habe ich mir natürlich wieder gemerkt und das Ganze geht von vorne los: ½ Kreis eng fliegen, etwas aufmachen und weiterfliegen bis zum besten Steigen, dort den Kreis wieder enger machen, nach ½ Kreis wieder etwas aufmachen usw. Wird das Steigen während der Kreise gleichmäßiger ändere ich die Schräglage immer weniger. Bleib das gesuchte Maximum des Steigens aus und der Drachen fliegt weiter im Steigen, ist es geschafft. Die nächste Korrektur mache ich erst wenn das Steigen auf einer Seite wieder deutlich besser ist als auf der anderen.

Die Schräglage ist dabei Maß ein Maß für den Kreisradius. Es kommt nicht so genau darauf an, zumal man „1/3 weniger“ eh nur sehr grob abschätzen kann. Theoretisch bewirkt diese Variation um 1/3 der Schräglage eine Verlagerung des nächsten Kreises um ca. einen halben Kreisdurchmesser. Wenn man nach dem Halbkries zu viel aufzumachen, besteht die Gefahr, dass der folgende Kreis zu flach und zu groß wird und man aus dem Bart herausfliegt.


Die Windrichtung und -stärke
Viele Piloten versuchen sich beim Thermikkreisen mehr auf der Luvseite des Barts zu halten. Das halte ich nicht für sinnvoll, außer wenn ich noch nah am Hang bin. Wie ich die Thermik zentriere ist nur vom Vario abhängig. Der Wind spielt dabei keine Rolle, außer dass ich mit der Thermik versetzt werde.


Falsche Variosignale
Genau genommen geht es hier mehr um falsch interpretierte Variosignale, denn das Vario zeigt wahrheitsgemäß an wo ich steige. Leider aber nicht warum ich steige. Es gibt für mich drei Gründe warum mein Drachen beim Kreisen steigt.

  • Steigen durch Einleiten einer Kurve. Beim Drachen ist das Einleiten oder das enger Machen einer Kurve immer damit verbunden, dass der Steuerbügel etwas gedrückt wird. Das erzeugt kurzfristig zusätzlichen Auftrieb in Richtung Kurveninneres und nach oben. Das Vario piept dann zwar, aber mit der Thermik hat das nichts zu tun. Deshalb versuche ich das Steigen, das unmittelbar auf das Einleiten oder enger Machen der Kurve folgt, zu ignorieren, solange es nicht außergewöhnlich stark ist. Bei der Methode, die ich unter „Grob zentrieren“ beschrieben habe, ist dieser Effekt besonders ausgeprägt, weil man immer wieder vom Geradeausflug in eine enge Kurve geht. Das Vario schreit dann jedes Mal, was es erschwert herauszufinden wo das beste thermikverursachte Steigen ist. Dagegen kommt die Methode, die ich unter Feinzentrieren beschrieben habe, mit ganz geringen Steuerbewegungen aus, was es leichter macht im Bart zu bleiben.

  • Schaukeln um die Querachse. Was beim Geradeausflug auch als Delphinflug bezeichnet wird, gibt es auch beim Kreisen. Dabei nimmt der Drachen die Nase etwas herunter, taucht leicht durch, steigt dann wieder leicht an bis zum höchsten Punkt und das Ganze beginnt von vorne. Es handelt sich dabei um eine wenig gedämpfte Schwingung (Phygoide genannt) und sie hat in meinem Fall eine Periodendauer von ca. 6 - 8 Sekunden. Diese Schwingung lässt sich sehr leicht anregen und halten. Mit meinem Flexi gerate ich beim Kreisen oft unbewusst in so eine Schaukelbewegung und behalte sie bei. Besonders bei schwacher Thermik ist das fatal, weil dann das Vario alle 6 – 8 Sekunden zusätzliches Steigen anzeigt, das schwer von dem Steigen zu unterscheiden ist, das durch die Thermik verursacht wird. Seit ich das verstanden habe achte ich auf diese Schaukelbewegung und unterbinde sie, sobald ich sie erkenne.

  • Steigen durch Thermik. Nur dieses Steigen interessiert mich bei der Suche nach dem Zentrum des Barts. Je schwächer der Bart ist, desto wichtiger ist es die vorher genannten Arten des Steigens zu ignorieren, bzw. zu verhindern.


  • Das Ganze in Kurzform
    Grobes Zentrieren:
    --> Enger ¾-Kreis --> Geradeaus bis zum besten Steigen --> Enger ¾-Kreis --> ...
    Feinzentrieren:
    --> Enger ½-Kreis --> Etwas flacher bis zum besten Steigen --> Enger ½-Kreis --> ...

    Leider ist die Thermik nicht immer so schön wie auf den Bildern, aber die Technik funktioniert prinzipiell bei jeden Bart, der groß genug ist (größer ist als der Durchmesser meiner Kreise). Das Ganze ist eine eher „technische“ Herangehensweise, die trotz allem viel Übung braucht. Ich gehöre nun mal nicht zu den Piloten, die das alles intuitiv machen und damit gute Erfolge haben, sondern ich brauche einen klaren Plan. Die Methode habe ich mir mit dem flexiblen Drachen erarbeitet. Sie sollte aber auch bei Starrflüglern oder Gleitschirmen funktionieren.


    - Viel Spaß beim Ausprobieren und immer oben bleiben! -

    Michael Demerath, 27.01.2025